Es ist frühmorgens und ich gehe spazieren durch den Park. Alles ist leer und still, der Himmel ist bewölkt und die Vögel zwitschern nur leise. Mein Weg führt mich an einem leeren Spielplatz vorbei und ich bleibe stehen und setze mich auf die Schaukel und denke nach.

Wie bin ich auf einmal so schnell erwachsen geworden? Wo ist die ganze Zeit hin?

Ich kann mich noch erinnern an die Zeit, als wir nach Österreich zurückkamen, ich war gerade 14 Jahre alt und spielte heimlich noch hin und wieder mit Barbies und Puppen. Nie hatte ich mir groß Gedanken gemacht welche Trends jetzt in sind und wie man sich schminkt. Doch dann kam ich in meine neue Klasse, eine reine Mädchenklasse, und fast alle schminkten sich, es drehte sich alles um tolle Kleidung, Schminken und Jungs. Das Einleben hier prägte mich unglaublich und wie so oft bei all den Umzügen spielte ich Chamäleon und passte mich an. Schminkte mich heimlich in der Schule, gab mein ganzes Taschengeld für Schminke aus, suchte mir einen Freund und versuchte möglichst schnell den österreichischen Dialekt zu lernen. Ich war es leid herauszustechen und wollte unbedingt „normal“ sein, wollte nicht ständig Fragen wie „Woher bist du?“, „Kommst du aus Wien oder Deutschland?“, „Welches Land magst du lieber: England, Deutschland, Österreich oder Thailand?“, „Wie ist es in Thailand so?“ beantworten. Versteht mich nicht falsch, die Fragen an sich sind nichts Schlimmes und ich kann nachvollziehen, dass das interessant sein muss für Leute, die immer hier gewohnt haben, aber mir brach es das Herz darüber zu reden. Ich war in einer riesigen Identifikationskrise, hatte Angst vor der Zukunft, hatte unglaubliches Heimweh nach überall und nirgendwo, wollte einfach mal irgendwo angenommen werden und war heillos überfordert mit der kompletten Situation. Doch was sich nie änderte, war mein Glaube und gerade in dieser Zeit vertraute ich mit aller Kraft darauf, dass diese Zeit vorbei gehen würde, ich mich selber finden würde, stärker werden würde durch alle diese Schmerzen und Frieden schließen konnte mit meiner Vergangenheit.

erwachsensein

Und ich sollte recht behalten, nach und nach lebte ich mich ein, lernte mich selber besser kennen, stand wieder auf, wenn ich hingefallen war, lächelte weil ich glücklich war und nicht weil man es von mir erwartete und hörte mehr und mehr auf mein Herz. Nach einigen gescheiterten Versuchen entdeckte ich meinen Stil, begann mit dem Bloggen und der Fotografie, merkte mehr und mehr was meine Fähigkeiten waren und begann sie auch beruflich einzusetzen und mich weiterzubilden, um irgendwann meine Ziele zu erreichen, privat wie beruflich.

erwachsenwerden

Kleid – H&M / Schuhe – H&M

Inzwischen hatte es angefangen zu nieseln und ich lasse die Schaukel los und spaziere langsam zum Auto zurück. Ich muss lächeln und bin gespannt auf alles was noch so kommt und plötzlich fällt mir ein Vergleich ein: Jeder von uns ist ein Rohdiamant, damit er richtig glänzt und seine ganze Schönheit entfaltet, muss er geschliffen werden. Unsere Gesellschaft prägt und schleift uns, genauso wie unsere Vergangenheit und unser Umfeld. Man muss sich also ganz vorsichtig, mit viel Liebe, Geduld und Behutsamkeit schleifen lassen, denn sonst verliert man wertvolles Material, nämlich sich selber.

Photocredits: Anna Soldatova